Norwegisch

Das Norwegische nimmt unter den germanischen Sprachen insofern eine Sonderstellung ein, als das Norwegische nicht über eine, sondern über zwei präskriptive schriftliche Normen verfügt. Diese beiden Sprachen – bokmål , (wortwörtlich die ‚Buchsprache’, und nynorsk ‚Neunorwegisch’– werden zusammen von den ca. 4,7 Millionen Einwohnern Norwegens als Schriftsprachen verwendet. In beiden Normen bestehen auch Ähnlichkeiten im Bezug auf alle linguistischen Subsysteme. Beide Schriftsprachen sind amtlich gleichgestellt und durch ein komplexes System sprachlicher Gesetze geschützt. Im Schulwesen, im öffentlichen Rundfunk und in der Verwaltung sind beide Sprachen per Gesetz vertreten. Es gibt keine offizielle gesprochene Hochsprache: Die Norweger sprechen in privaten und öffentlichen Situationen ihren Dialekt, der wiederum entweder der Norm des Bokmål oder des Nynorsk näher steht. Bokmål stellt derzeit die verbreitetere schriftliche Norm dar, da  etwa 85% der Norweger Bokmål bevorzugen.

Die schriftliche und mündliche Interkomprehension mit Dänen und Schweden ist nicht nur theoretisch möglich, sondern stellt die gängige Praxis innerhalb Skandinaviens dar; mit etwas Übung und gutem Willen funktioniert die Kommunikation häufig reibungslos. Das Aneignen von Lesekompetenzen des Nowegischen ist kein Hexenwerk und bietet zudem eine hervorragende Grundlage für die festlandskandinavische Interkomprehension: Das Norwegische (insbesondere die Bokmål-Norm) hat auffällig viele Übereinstimmungen mit dem Dänischen, angefangen mit dem Einsatz derselben nicht-internationalen Grapheme (<æ>, <ø> und <å>), über die beinahe identischen Konjugations- und Deklinationsmuster, bis hin zu frappierenden Ähnlichkeiten im Wortschatz. Was die gesprochene Sprache betrifft, ist die Kommunikation mit Schwedischsprachigen zumindest nicht schwieriger als mit Dänischsprechern, in manchen Fällen sogar leichter. Interkomprehension mit den anderen skandinavischen Sprachen Färöisch und Isländisch ist aber normalerweise leider nicht gegeben.

Es gibt drei Buchstaben im Norwegischen, die im Deutschen und Englischen fehlen, das <æ> [æ], <ø> [ø] und <å> [o]. Es gibt keine allgemeine Substantivgroßschreibung. Fremdwörter werden nach den Konventionen der norwegischen Orthographie normiert (z.B. byråsjef statt bureauchef). Bei den Substantiven gibt es einen unbestimmten Artikel wie im Deutschen; der bestimmte Artikel erscheint dagegen als Suffix am Substantiv (z.B. et bord ‚ein Tisch‘ vs. bordet ‚der Tisch‘). Bei der Verbkonjugation werden weder Person- noch Numerus-Informationen kodiert, was den Weg zur Sprachkompetenz erheblich erleichtert; es gibt nur eine einzige Form im Präsens und Präteritum für alle Personen, egal ob Singular oder Plural.

 

 

 

Bokmål

Deutsch

Sg.

1. Pers.

leser

lese

2. Pers.

liest

3. Pers.

liest

Pl.

1. Pers.

lesen

2. Pers.

lest

3. Pers.

lesen

 

Wie in den meisten anderen germanischen Sprachen gibt es starke (mit Vokalwechsel zur Tempusanzeige, z.B. synge - sang - sunget ‚singen - sang –gesungen‘) und schwache (meistens mit -t- oder -d-haltigem Suffix zur Tempusanzeige, z.B. høre - hørte - hørt ‚hören - hörte - gehört’) Verben.

 In Bezug auf den Wortschatz ist die Bokmål-Norm wenig puristisch. Deutschsprachige können sich daher auf ein rasches Erkennen von großen Teilen des Wortschatzes freuen. Dies betrifft nicht nur die erwartbaren Internationalismen (telefon, universitet), sondern auch klare Entsprechungen bei Wortbildungsaffixen, z.B. landskap ‚Landschaft‘, frihet ‚Freiheit.